Autoren-Interview
Herr Landsberg, in Ihrem Buch „Leadership Excellence – Wirkungsvolle Führung durch Achtsamkeit“ beschreiben Sie den Aspekt der Achtsamkeit als einen Megatrend des Jahrtausends. Weshalb?
TDL: Ausgelöst durch pausenlose Überbeanspruchung – auch infolge der andauernden Corona-Krise – und damit einhergehender chronische Ermüdung haben viele Arbeitnehmer ein großes Bedürfnis danach, wieder in eine Balance zu kommen. Weltkonzerne, wie BMW, Siemens, Bosch, RWE, SAP, Google, bieten schon seit über 10 Jahren verschiedenste Achtsamkeitsthemen für Ihre Mitarbeiter an. Dieser Megatrend ist deshalb auch keine nur temporäre Erscheinung. Nachwuchstalente äußern heute erstaunliche klare Erwartungen an achtsame Führung und reife Führungspersönlichkeiten mit Vorbildcharakter. Leider ist heutzutage „always on“ für viele Führungskräfte und Mitarbeiter „normal“ geworden, um den hohen Workload bewältigen zu können. So wird überwiegend der Modus Anspannung als trauriger Normalzustand gelebt. Genau das spiegelt sich in Studien der Krankenkassen und den dort veröffentlichten jährlich immer weiter steigende Burnout-Zahlen, psychosomatischen und psychischen Erkrankungen wider. Das Erleben von Harmonie als Basis für Leistungsfähigkeit braucht allerdings den regelmäßigen Wechsel von Aktivitäts- und Erholungsphasen. So erleben wir auch, dass analog zur globalen Beschleunigung am genau gegenüberliegenden Pol die Angebote zu Resilienz und Mindfulness seit Jahren stark zunehmen. Hier geht es genau um unser Thema Achtsamkeit, durch das sich in Unternehmen nachweislich Krankenstände und Fluktuationsraten signifikant senken lässt. Ein dadurch entstehender Spirit wird sich „zwangsläufig“ auch aus einer betriebswirtschaftlichen Perspektive in signifikanten Umsatz- und Ertragssteigerungen zeigen, wie beispielsweise die Hotelkette Upstalsboom auf beeindruckende Weise dokumentiert hat.
Die aktuelle Krise hat in vielen Betrieben zu fundamentalen Veränderungen geführt. Wie gelingt es, mit diesem Wandel umzugehen, Veränderung zuzulassen, sie positiv zu nutzen?
TDL: Unternehmen verfolgen nachvollziehbarer Weise das Ziel, schnell zu einer „Normalität“ zurückzukehren. Doch im ersten Schritt sind Führungskräfte gerade jetzt besonders gefragt, diesen Wandel professionell zu begleiten. Professionalität bedeutet für mich das Sicherstellen eines menschlichen, mitfühlenden Miteinanders. Die emotionale Verarbeitung der Krise hat bei den Mitarbeitern und Führungskräften noch nicht stattgefunden, weil alle im ‚Funktionieren-Modus‘ unterwegs sind. Deshalb ist es besonders wichtig, auch weiterhin viel Raum für Gespräche anzubieten, in denen das Erlebte als Team und auch mit jedem einzeln verarbeitet werden kann, um die Menschen in diesem Prozess emotional mitzunehmen. Wie generell in Changeprozessen, wird oft der Fehler begangen, zu schnell zur Tagesordnung zurückkehren und die hoch notwendigen Verarbeitungsphasen einfach überspringen zu wollen. Doch erst nach der gemeinsamen Aufarbeitung des Zurückliegenden werden die Menschen wirklich bereit sein, sich auf einschneidenden Veränderungen einzulassen und neue Chancen zu erkennen Dieser anspruchsvolle Prozess bedarf von Seiten der Führungskräfte empathischer Führung und viel achtsamer Kommunikation – und zwar über alle Hierarchiestufen hinweg.
Wie können wir es bei all den gegebenen Unsicherheiten schaffen, das Positive im Blick zu behalten?
TDL: Ich bin davon überzeugt: Happiness is an inside job! Und hierfür braucht es Training unseres sogenannten Achtsamkeitsmuskels. Achtsamkeit bedeutet nicht einfach lässiges Chillen und Verweilen in der Komfortzone, sondern ist ein höchst aktives Geschehen. Es geht in diesem Modus darum, den persönlichen Fokus bewusst lenken zu können. Durch Selbstreflexion und Selbstakzeptanz wird es dann möglich, den Scheinwerfer der Aufmerksamkeit auf das Positive zu richten, das immer schon da war, und die zahlreichen Chancen zu sehen, die immer auch da sind, die wir vorher aber vielleicht ausgeblendet haben. Genau diese Fähigkeit braucht professionelles Training und Bewusstseinsschulung und stellt sich meist nicht von selbst ein.
Führung hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark gewandelt. Worauf kommt es heute an?
TDL: Führungskräfte sind heute in zunehmend agilen Strukturen immer weniger als „Allwissende“ gefragt, sondern als empathische Moderatoren und Prozessbegleiter, die nicht als autoritäre Einpeitscher, sondern als achtsame Ermöglicher für ihre hoch spezialisierten Mitarbeiter die Rahmenbedingungen schaffen, um Erfolg zu generieren. Die „Generation Why“ hinterfragt Geschäftsmodelle und Anweisungen auf ganz neue Weise und fordert Sinn im eigenen Handeln. Altgediente Führungskräfte, die in Linienorganisationen und engen Strukturen formaler Macht groß geworden sind, erleben deshalb auch gerade, dass alte Führungsmodelle teilweise gar nicht mehr funktionieren und Talente bezüglich gezeichneter Perspektiven und ausgerufener Parolen ‚müde abwinken‘. Wirksames Leadership versteht sich heute als „situative Führung“ und ist ein bunter Mix unterschiedlicher Stile und Methoden. Hierfür müssen Führungskräfte zahlreiche Soft Skills aus ihrer Persönlichkeit abrufen können. Genau hier kommt das Thema Achtsamkeit als zentrales Erfolgskriterium moderner Führung ins Spiel. Dabei geht es um die Fähigkeit, feine Signale und subtile Stimmungen wahrnehmen und decodieren zu können. Diese Skills sind von jedermann erlernbar. Zu diesen Themen liefert das Buch ein Vielzahl wirksamer und leicht umsetzbarer Übungen.
Mitarbeiter und Führungskräfte bezeichnen Sie als das Herz eines Unternehmens. Was braucht es aus Ihrer Sicht als Leadership-Coach und Achtsamkeitslehrer in der jetzigen Zeit, damit dieses Herz kraftvoll schlägt?
TDL: Wenn wir die Metapher des schlagenden Herzens innerhalb eines lebendigen Organismus (Unternehmen) aufgreifen, dann braucht es zunächst die Bereitschaft der im Unternehmen arbeitenden Menschen, sich mit dem kompletten Organsystem verbunden zu fühlen und in eine Art Gleichklang kommen zu wollen. Aus der Physik ist bekannt, dass aus einer elektromagnetischen Perspektive alles mit allem verbunden ist. So kann man in Systemen gut erkennen, wenn einzelne Zellen (Mitarbeiter oder Führungskräfte) sich nicht zum Wohle des Organismus verhalten. Dies wirkt sich toxisch auf das Gesamte aus und wird den Organismus sukzessive von innen heraus zerstören. Aus Studien wissen wir, dass die meisten Unternehmen, die in eine Insolvenz gehen müssen, von innen heraus scheitern. Wenn also in einem Unternehmen eine menschenverachtende Haltung gelebt wird, sei es durch andauernde Arbeitsüberlastung, unnahbare Führungskräfte oder destruktive Kommunikationsmuster, dann wird das Herz früher oder später „brechen‘. Das bedeutet, die im Unternehmen arbeitenden Menschen werden ebenso mit destruktivem Widerstand in ihrem Arbeitsverhalten antworten, krank werden, kaum Kreativität mehr anbieten, schlecht über das Unternehmen sprechen, dringend benötigte Leistungsträger und Talente werden die Firma verlassen. Wenn wir diese Abwärtsspirale um 180 Grad umdrehen, offenbaren sich uns sinnvolle Lösungswege, wie der achtsame Umgang mit den Mitarbeiter-Ressourcen, lösungsorientierte, wertschätzende Kommunikation und insgesamt gesundheitsbewusste Führung. Das alles bedeutet nicht, dass nicht auch intensiv gearbeitet wird, doch sind das „Warum“ und „Wie“ von zentraler Bedeutung.
Buchtitel: Leadership Excellence – Wirkungsvolle Führung durch Achtsamkeit
Autor: Thomas Damran Landsberg
Verlag: Books on Demand (BoD)
ISBN-13: 978-3750416116
Hardcover, 296 Seiten
Training – Coaching – Achtsamkeit
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