StartseiteKunst und KulturInterview zu neuer Doku-Reihe: Historiker Dr. Sascha Priester über "History's Greatest Mysteries": "Mythen bieten Raum für Identität"

Interview zu neuer Doku-Reihe: Historiker Dr. Sascha Priester über „History’s Greatest Mysteries“: „Mythen bieten Raum für Identität“: OnPrNews.com

München (ots) – Zum Begriff „Mythos“ wird im allgemeinen Sprachgebrauch schnell gegriffen. Er ist etwas unklar oder gar rätselhaft. Dagegen legt der Historiker, wie jeder Wissenschaftler, Wert auf Genauigkeit. Hat der Mythos überhaupt Platz in der Geschichtswissenschaft?

Dr. Sascha Priester: Wir verwenden heute „Mythos“ meist sehr unscharf, ohne uns der Komplexität des Begriffs bewusst zu sein. Wer Geschichtsforschung betreibt, sollte diesen Fehler vermeiden und das Phänomen „Mythos“ in seinen Facetten reflektieren. Ein Beispiel: Wenn die Römer ihre Zeitrechnung mit dem ganz konkreten Jahr 753 vor Christus sowie mit dem Mythos von Romulus und Remus verknüpfen, dann hat das eine eigene Qualität. Das ist eine Form antiker Realität, in der unsere vermeintlich so sauber voneinander getrennten Schubladenbezeichnungen „Geschichte“ und „Mythos“ nicht greifen. Die Gründungsmythen Roms wurden mit ihren Figuren, Werten und Normen als ein entscheidender Teil der Geschichte Roms verstanden und vermittelt. Mythen sind Erzählungen, die als Medium dienen: Sie bieten Raum für Identität, liefern übergreifende Erklärungen oder geben Orientierung, beispielsweise religiös ethischer Natur. Mythen, alte wie neue, sind der Spiegel von Welterfahrung.

Die Doku-Reihe „History’s Greatest Mysteries“ kommt auch auf die Ermordung des US-Präsidenten Lincoln zu sprechen. Um dessen Tod ranken sich viele Legenden, eine davon die, ob der Täter John Wilkes Booth seinen eigenen Tod vortäuschte, um seiner Bestrafung zu entgehen. Kann es neue Erkenntnisse zutage fördern, auch einem solchen (weit hergeholten) Mythos nachzugehen?

Dr. Sascha Priester: Aus meiner Sicht handelt es sich hierbei weniger um einen klassischen Mythos als um eine Verschwörungsgeschichte. Diese besagt, dass Booth nach seinem Attentat auf Präsident Abraham Lincoln und der anschließenden 12-tägigen Flucht nicht am 26. April 1865 auf einer Tabakfarm von einem Suchtrupp gestellt und dabei ums Leben gekommen sei. Jemand anderer sei an seiner Statt getötet worden. Als professioneller Schauspieler und Meister der Verwandlung habe Booth inkognito weitergelebt; man habe ihn an verschiedenen Orten „gesichtet“. Je nach der jeweiligen Version habe er hier oder dort unter einem falschen, neuen Namen gelebt. Das Verdienst der TV-Doku ist es hier, dem heutigen, mittlerweile fast unüberschaubaren Netz von Booth-Theorien wie auch angeblichen leiblichen Booth-Nachfahren in den USA nachzugehen – und dabei auch mit Hilfe von DNA-Tests nachzuweisen, dass es gegenwärtig keine wissenschaftlichen Beweise für Nachkommen von Booth nach den Ereignissen vom April 1865 gibt.

Man könnte sich die Geschichtswissenschaft als die Erforschung vergangener Ereignisse vorstellen. Was braucht es, dass aus einem bloßen Vorkommnis eine historische Begebenheit wird?

Dr. Sascha Priester: Vieles, was heute passiert, ist morgen bereits vergessene Geschichte. Unter wirklichen Ereignissen verstehe ich dagegen historische Wegmarken – also für viele Menschen wichtige Geschehnisse, die den Zeitpfeil strukturieren. Dass sich ein Vorkommnis in ein historisches Ereignis verwandelt, dazu müssen mehrere Faktoren gegeben sein: Es muss gesehen und beobachtet werden – und das Beobachtete muss wiederum anderen in irgendeiner Form zugänglich sein. Wenn niemand von dem Vorkommnis Notiz nimmt, wenn es nicht weiterkommuniziert wird, wenn es niemanden interessiert, ist zwar etwas geschehen – aber es ist kein Ereignis im eigentlichen Sinn.

Der Fall des „Titanic“-Untergangs entfacht immer noch Schuldfrage-Debatten. Mit bislang unbekannten Notizen des im Fall damals angesetzten Ermittlers Lord Mersey will „History’s Greatest Mysteries“ das Thema aus einer neuen Perspektive betrachten. Die Untersuchung scheint also bis heute zumindest kulturell nicht abgeschlossen. Steckt dieselbe Treibkraft auch hinter der Arbeit eines Historikers?

Dr. Sascha Priester: Natürlich reizt mich als Historiker die Frage, mehr über den Untergang der RMS Titanic zu erfahren. Wir sollten nicht vergessen: Wir sprechen über eine Katastrophe, die in der Nacht vom 14. auf den 15. April 1912 über 1500 Passagiere das Leben kostete. Und auch über 100 Jahre später wollen wir wissen: Wie konnte es wirklich zu dieser Katastrophe kommen? Das Verdienst der Dokumentation „History’s Greatest Mysteries“ ist es hier, den Blick auf wirklich Neues zu richten und auf die Person des damaligen Chefermittlers Lord Mersey. Es ist eine Sensation, dass nun seine privaten Aufzeichnungen öffentlich gemacht werden, die er zeitgleich zu den Anhörungen und Ermittlungen angefertigt hatte.

Die Notizbücher bieten eine neue Perspektive auf die dramatischen Minuten und Stunden, die zwischen der Kollision mit dem Eisberg nach heutigem Wissensstand gegen 23:40 Uhr und dem Untergang des Schiffes gegen 02:20 Uhr morgens lagen. Im Gegensatz zu dem bisher gewohnten Bild, dass die „Titanic“ nach der Kollision mit dem Eisberg die Schotten herunterließ und komplett ihre Fahrt stoppte, sprechen die Aufzeichnungen von Lord Mersey für einen anderen Ablauf: Wasserdichte Schotten, die verhinderten, dass das eindringende Wasser weitere Bereiche des Schiffs überflutete, wurden demnach manuell wieder geöffnet, um Schläuche und Pumpen von A nach B zu bringen. Erschütternd wirkt hier heute Lord Merseys kurzes Zeugnis, dass danach diese Türen alle offen gelassen worden seien.

Mit Geschichten wie der „Titanic“ geht bis heute ein Interesse einher, das sich in zahlreichen Büchern, Filmen, Fachartikeln etc. niederschlägt. Ist es dieses Interesse, das aus dem Ereignis den Mythos macht?

Dr. Sascha Priester: Literatur, bildende Kunst, Hollywood oder Dokumentationen halten ein historisches Ereignis nicht nur fest, sondern erzählen es vor allem auch weiter. Beim Fallbeispiel „Titanic“ hält dieser Prozess und dessen Verankerung in unseren Köpfen so auch die „Titanic“ selbst auf bemerkenswerte Weise am Leben. Mit einer Fülle von Interpretationsmöglichkeiten, die das Schiff und ihr Untergang als Projektionsfläche bieten. Eine Verkörperung des menschlichen Drangs, etwas technisch Perfektes, Unsinkbares, Unzerstörbares, ja Ewiges zu schaffen. Ein Symbol dafür, wie genau diese menschliche Hybris des modernen Prometheus – wie so oft zuvor oder auch später in der Menschheitsgeschichte – auf monströs tragische Weise scheitert: die allmächtige „Titanic“, verschlungen vom Meer, verschluckt von der doch so viel mächtigeren Natur – ein Menetekel.

Weitere Informationen zu The HISTORY Channel sind unter www.history.de, www.facebook.com/history, www.instagram.com/history_de sowie www.youtube.com/historyde zu finden.

Pressekontakt:

A+E NETWORKS GERMANY / The History Channel (Germany) GmbH & Co. KG

Nicolas Finke
Head of Press & PR
Tel.: +49 (0) 89 208 04 81 16
E-Mail: Nicolas.Finke@aenetworks.de

www.history.de
www.crimeandinvestigation.de
www.aenetworks.de

Original-Content von: The HISTORY Channel, übermittelt durch news aktuell

Lesen Sie mehr zum Thema

Disclaimer/ Haftungsausschluss: Für den oben stehend Pressemitteilung inkl. dazugehörigen Bilder / Videos ist ausschließlich der im Text angegebene Kontakt verantwortlich. Der Webseitenanbieter Onprnews.com distanziert sich ausdrücklich von den Inhalten Dritter und macht sich diese nicht zu eigen.

- Artikel teilen -

Interview zu neuer Doku-Reihe: Historiker Dr. Sascha Priester über „History’s Greatest Mysteries“: „Mythen bieten Raum für Identität“

Kunst als Ausdrucksmittel: Wie Installationen die Frauenwerte sichtbar machen

Im Rahmen der Veranstaltung "Liebe vor Macht" wurde die Kraft der Kunst hervorgehoben, um die sieben Frauenwerte zu verdeutlichen und sichtbar zu machen. Durch verschiedene Kunstinstallationen wird ein Dialog geschaffen, der zur Reflexion über die gesellschaftlichen Bedingungen anregt. So wird Kunst zu einem Instrument für gesellschaftlichen Wandel.

Professionelle Livemusik mit der Band Flash: Ideal für jeden Firmenevent und Weihnachtsfeier

Planen Sie ein Firmenevent und suchen nach der passenden musikalischen Begleitung? Die Coverband Flash garantiert mit ihrem breit gefächerten Repertoire und einem professionellen Auftritt eine tolle Stimmung. Lassen Sie das Fest zu einem unvergesslichen Erlebnis werden.

Effiziente Vermarktung für Selbstverlage: Pressemitteilungen als Schlüssel zur Reichweite

Selbstverleger stehen oft vor der Herausforderung, ihre Werke bekannt zu machen. Pressemitteilungen sind eine bewährte Methode, um relevante Informationen über dein Buch zu verbreiten. Durch gezielte Verteilung kannst du neue Leser und potenzielle Käufer gewinnen.

Self-Publishing Strategien: Von der Idee bis zur Veröffentlichung – Alles, was Sie wissen müssen

Das Self-Publishing gibt Autoren die Freiheit, kreativ zu sein und ihre eigene Vision zu verwirklichen. Trotzdem gibt es viele Schritte, die es zu beachten gilt, um erfolgreich zu sein. In diesem Artikel beleuchten wir wichtige Strategien, um Ihre Buchveröffentlichung optimal zu gestalten.

25 Jahre Škoda Fabia: Unvergessliche Reise vom Kleinwagen zum weltweiten Bestseller und Motorsporterfolg

In 25 Jahren hat sich der Škoda Fabia als eine der bedeutendsten Fahrzeugen im Kleinwagensegment etabliert. Dies wird durch den beeindruckenden Verkauf von fast fünf Millionen Einheiten und zahlreiche Erfolge im Motorsport untermauert. Vier Generationen zeigen die beständige Evolution und Anpassungsfähigkeit des Modells an die Bedürfnisse der Kunden.

Entdecken Sie natürliche kulinarische Schätze Kretas

Entdecken Sie die kulinarischen Schätze Kretas mit KRETA natürlich In einem tiefgründigen...

TV-Show zugunsten der geretteten Tiere

Aufzeichnung der Weihnachtssendung "Country Weihnacht auf Gut Aiderbichl" war gespickt mit...