Leipzig (ots) – Die Verwendung von gendergerechter Sprache wird in der Öffentlichkeit kontrovers und hitzig diskutiert. Und auch für Medien ist es eine tägliche Herausforderung: „gendern“ oder nicht? Das Nachrichtenradio MDR AKTUELL und die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg starten nun ein gemeinsames Forschungsprojekt, wie sich gendersensibles Sprechen auf das Verständnis von Nachrichten auswirkt.
Wird in Nachrichten, Moderationen oder Berichten „gegendert“, folgen oft intensive Diskussionen und emotionale Publikumsreaktionen. Umgekehrt fragen andere wiederum, wieso bei manchen Formaten nicht „gegendert“ wird. Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beschäftigen sich mittlerweile damit, Erkenntnisse zu einer gendersensiblen Sprache auf eine empirische Basis zu stellen und so Fakten für die emotionale Debatte zu liefern. Wenig untersucht ist dabei bislang, welche Wirkung gendersensible Sprache auf das Verständnis von journalistischen Inhalten hat. Hier setzt das neue Forschungsprojekt der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) mit dem Nachrichtenradio MDR AKTUELL an.
Mike Heerdegen-Simonsen, Redaktionsleiter Nachrichten bei MDR AKTUELL: „Ich bin sehr gespannt auf die Ergebnisse, da wir sehr oft mit Forderungen nach gendergerechten Nachrichten konfrontiert sind. Auf der anderen Seite kennen wir die heftige Kritik auch am MDR, wann immer der Gender-Gap zu hören ist.“
Projektleiterin Prof. Dr. Ines Bose vom Institut für Musik, Medien- und Sprechwissenschaften der MLU: „Untersuchungen zur Wirkung gendersensiblen Sprechens im Medienalltag sind überfällig. Sie können dazu beitragen, die emotionalisierte Debatte zum ‚Gendern‘ durch Erkenntnisse auf breiter Datenbasis zu ergänzen und dadurch zu versachlichen.“
Für das gemeinsame Projekt hat MDR AKTUELL Testsendungen mit drei Varianten von Nachrichten produziert:
– ohne gendersensible Formulierungen, d.h. im generischen Maskulinum (z.B. Mitarbeiter)
– mit der gendersensiblen Variante der Paarform (männlich und weiblich) oder des Partizips (z.B. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Mitarbeitende)
– mit der gendersensiblen Variante des Gender-Gaps (gesprochen als Glottisschlag) für die Präsentation von Schreibweisen mit Gender-Stern, -Unterstrich und -Doppelpunkt (z.B. Mitarbeiter:innen)
Die Erarbeitung und Produktion erfolgte in enger Abstimmung mit der Abteilung Sprechwissenschaft der MLU in Kooperation mit Dr. Heiner Apel von der RWTH Aachen. Anhand der Testsendungen werden zahlreiche Radiohörerinnen und -hörer in einem Online-Fragebogen zu den Auswirkungen des gendersensiblen Sprechens befragt. Im Mittelpunkt stehen die Hörverständlichkeit der Nachrichten, aber auch ihre Akzeptanz. Begleitet wird das Projekt durch Master- und Bachelorarbeiten. In ihnen erforschen Studierende unter anderem, welche Erfahrungen Redaktionen gesammelt haben, die eine gendersensible Sprache in ihren Nachrichten verwenden.
Mit den empirisch erhobenen Ergebnissen sollen Erkenntnisse gewonnen werden, welche Vor- oder Nachteile eine Nutzung gendersensibler Sprechweise hat. Die Veröffentlichung erster Ergebnisse ist 2022 geplant.
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