Berlin (ots) – Mehr Grün, mehr Parks, mehr Bäume sollen unsere Städte lebenswerter machen. Doch über diese üblichen Wege hinaus ging schon ab 2010 Andernach in Rheinland-Pfalz mit einem unkonventionellen wie mutigen Konzept: Sie kreierte die „Essbare Stadt“. Mitten in der 30 000 Einwohner-Stadt wurde entlang der Historischen Stadtmauer eine Fläche von 1,6 Hektar – ehemalige Rasenflächen und Beete mit Wechselbepflanzung – mit Gemüsebeeten und Spalierobst bepflanzt. Als essbare Gehölze wurden neben Apfel- und Birnbäumen auch Pfirsich, Granatapfel, Knackmandel, Mispel und Feige angebaut.
Im Premierenjahr wurden über hundert verschiedene Tomatensorten gepflanzt, danach standen jährlich einzelne Gemüse wie Bohnen oder Zwiebeln im Zentrum. Später kamen in anderen Ortsteilen sowie Fußgängerzonen Naschobstbeete und Hochbeete mit Salaten und Kräutern hinzu. Ein für Alle zugänglicher, sich durch die Stadt mäandernder öffentlicher Garten, in dem Pflücken und Genießen ausdrücklich erlaubt sind. Den Impuls dafür gaben damals der Leiter des Sozialamtes und der Oberbürgermeister. „Anfangs wurde die Idee von Teilen der Stadtpolitik und von anderen Kommunen belächelt und kritisiert“, so Johannes Mader, bei der Stadt im Sachgebiet Umwelt und Nachhaltigkeit verantwortlich, „doch nachdem sich schnell Erfolge und hohe Akzeptanz einstellten, verstummte die Kritik“. Aktuell wird das Projekt von allen politischen Parteien unterstützt. Die Pflege der Flächen lässt sich Andernach einen niedrigen sechsstelligen Betrag kosten, ausgeführt werden die Arbeiten von einer gemeinnützigen Gesellschaft zur Integration von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt unter Anleitung von Gartenbaumeistern und Agrarwirten.
Die Annahme in der Bevölkerung ist inzwischen enorm hoch, man engagiert sich beim Rebschnitt oder der Pflege von Spalierobst-Anlagen. „Vandalismus ist erfreulicherweise eine seltene Randerscheinung“, so Mader, „viele scheinen ein hohes Maß an Respekt vor essbaren Nutzpflanzen zu haben“. Beim Obst sind vor allem Naschsorten beliebt, Salate, aber auch Grün- und Rosenkohl werden komplett abgeerntet. Neben dem Nutzaspekt geht es den Akteuren auch um die Ästhetik in der Innenstadt: Gemüse und Gehölze werden so kombiniert, dass sich je nach Jahreszeit blühende und Pflanzen mit nutzbaren Früchten in räumlicher Beziehung zueinander befinden. Und auch Hühner, Schafe und Bienenvölker gehören inzwischen dazu. Urbane Biodiversität spielt eine Rolle, „wir sind immer bestrebt, Nischen für Insekten oder die Avifauna zu schaffen“, auf den Einsatz chemischer Pflanzenschutz- und Düngemittel wird verzichtet. Klimawandel und zunehmende Trockenheit will man zukünftig mit effizienter und ressourcenschonender gezielter Tröpfchenbewässerung bewältigen.
Das Ziel, die Aufenthaltsqualität in der Stadt durch mit allen Sinnen erlebbare Räume wahrzunehmen und aufzuwerten, hat Andernach längst erreicht. Mit seiner nachhaltigen und ökologischen Grünraumplanung errang man bereits zwei Mal die Goldmedaille der ‚Entente Florale‘. Bundesweit erhielt die Stadt mediale Aufmerksamkeit für die grüne Pioniertat, „auch ein marketingtechnischer Nutzen“. Mader hält das Konzept – „bei gegebenem politischen Willen und entsprechender Motivation“ – durchaus für übertragbar auf größere Städte. Der beispielhafte Erfolg der „Essbaren Stadt“ hat bereits weit über hundert Städte und Gemeinden zur Nachahmung inspiriert. Somit kann jeder, der keinen eigenen Garten besitzt, teilhaben an gesunden kostenlosen Köstlichkeiten quasi vor der Haustür.
Über „Mehr grüne Städte für Europa“
Die Kampagne „Mehr grüne Städte für Europa“ wurde vom europäischen Baumschulverband ENA (European Nurserystock Association) initiiert und ist die Folgekampagne von „Grüne Städte für ein nachhaltiges Europa“, welche von 2018 bis 2020 durchgeführt wurde. Ihr Ziel ist es, kommunale Entscheider, Stadtplaner, Landschaftsarchitekten sowie Garten- und Landschaftsbauer für eine grüne Stadtentwicklung zu begeistern. In Deutschland wird die Kampagne vom Bund deutscher Baumschulen (BdB) e.V. durchgeführt. Der BdB repräsentiert Deutschland als eines von dreizehn Teilnehmerländern neben Belgien, Bulgarien, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, den Niederlanden, Polen, Portugal, Ungarn und Schweden.
Über den Bund deutscher Baumschulen (BdB) e.V.
Der Bund deutscher Baumschulen (BdB) e.V. ist die berufsständische Vereinigung und Interessenvertretung der Baumschulen. Als Vertretung der rund 900 angeschlossenen Betriebe hat der BdB die Aufgabe, die Baumschulwirtschaft nach innen und außen zu stärken, wettbewerbsfähig zu machen und zu halten. Die Branche kultiviert Gehölze auf aktuell 20.000 Hektar mit einem jährlichen Produktionswert von 1 Mrd. Euro. Auf Landesebene ist der BdB in 14 Landesverbände unterteilt, in denen zum großen Teil kleine und mittelständische Baumschulunternehmen organisiert sind. Die Betriebe vereinigen sich unter dem Leitmotiv der Branche „Grün ist Leben – Baumschulen schaffen Leben“. Seit 1993 ist der BdB zusammen mit weiteren Verbänden des Gartenbaus Gesellschafter der Deutschen Bundesgartenschau-Gesellschaft (DBG) und ist an der Planung und Umsetzung von Bundesgartenschauen (BUGAs) und Internationalen Gartenbauausstellungen (IGAs) beteiligt.
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Teodora Vasileva
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