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Altersschwerhörigkeit – viel mehr als nur schlecht Hören: OnPrNews.com

Auswirkungen der Altersschwerhörigkeit auf Sturzrisiko und Gangbild

Nur wenige Menschen haben das Glück, bis ins hohe Alter ein perfektes Hörvermögen zu haben, nicht von Altersschwerhörigkeit (Presbyakusis) betroffen zu sein. Man geht davon aus, dass die Hörschwelle – die zum Hören nötige Lautstärke – ab dem 60. Lebensjahr jedes Jahr um rund 1 dB ansteigt.

Rund 20 % der 60-69jährigen Menschen in Deutschland sind von Hörstörungen betroffen, über 40 % der 70-79jährigen, und bei den über 80jährigen haben mehr als 70 % Hörprobleme (von Gablenz et al. 2015).

Die offensichtlichste Auswirkung einer Hörstörung sind Schwierigkeiten bei der Kommunikation mit anderen Menschen oder beim Fernsehen. Weniger bekannt sind indirekte Folgen von Altersschwerhörigkeit, z.B. Depressionen, Schlafstörungen, höhere Wahrscheinlichkeit an Demenz zu erkranken oder einen Sturz zu erleiden.

Schwerhörigkeit kann das Gangbild verändern und das Sturzrisiko erhöhen

Erst seit kurzem werden in der medizinischen Forschung Zusammenhänge zwischen Altersschwerhörigkeit und körperlicher Mobilität, Gangbild sowie Sturzrisiko untersucht. Die Gründe für die entdeckten Zusammenhänge sind noch weitgehend unbekannt und Gegenstand der weiteren Forschungen (Campos et al. 2018).

Was man bis jetzt weiß – die Fakten

Alte Menschen mit mittlerer bis starker Schwerhörigkeit haben (im Vergleich mit normal Hörenden) eine geringere Ganggeschwindigkeit, weniger Ausdauer beim Gehen und mehr Probleme, das Gleichgewicht (Balance) zu halten. Schon leichte Schwerhörigkeit kann die Ganggeschwindigkeit verringern. Schwerhörige alte Menschen haben eine mehr als doppelt so hohe Wahrscheinlichkeit einen Sturz zu erleiden (Jiam et al., 2016).

Altersschwerhörigkeit und Sturzrisiko: Was man vermutet – mögliche Ursachen

Eine erste mögliche Ursache für die beobachteten Zusammenhänge könnte sein, dass Hörorgan und Gleichgewichtsorgan im Innenohr eng benachbart liegen und über Nerven miteinander verbunden sind. Inzwischen weiß man auch, dass das Gleichgewichtsorgan – wie das Gehör und alle anderen Organe – einem natürlichen Alterungsprozess unterworfen ist (Zalewski, 2015). Wie dieser Prozess im Detail abläuft, ist jedoch erst in Ansätzen bekannt (Azevedo, 2022). Andererseits gibt es Hinweise, dass Hör- und Gleichgewichtsstörungen unabhängig voneinander auftreten können (Lin & Ferrucci, 2012). Insofern ist es sinnvoll, weitere Ursachen für den Zusammenhang zwischen Altersschwerhörigkeit und Gangunsicherheit zu betrachten.

Eine zweite Ursache könnte im begrenzten Arbeitsspeicher des menschlichen Gehirns liegen. Eine mögliche Erklärung lautet: Die Verarbeitung von akustischen Informationen erfordert für schwerhörige Menschen eine hohe Konzentration, die das Gehirn stark beansprucht. Dadurch stehen weniger Gehirnkapazitäten zur Verfügung, um Körperhaltung und Bewegungen zu kontrollieren (Koh et al., 2015; Wollesen et al., 2018).

Ein dritter Ansatz geht davon aus, dass der menschliche Körper seine Geh- oder Laufgeräusche als akustische Rückmeldung benötigt, um seine Haltung und die Abfolge der Bewegungen zu steuern. Wenn Altersschwerhörigkeit diese Informationsquelle versiegen lässt, könnten Haltungs- und Gehprobleme folgen und das Sturzrisiko erhöhen. Diese akustischen Rückmeldungen könnten im Alter sogar besonders wichtig werden, um altersbedingte Funktionseinbussen des Gleichgewichtsorgans zu kompensieren.

Einen ersten Beleg für diese Hypothese liefern die Ergebnisse einer aktuellen Studie: Je stärker ausgeprägt die Höreinschränkung der Probanden war, desto ungleichmässiger waren ihre Schritte. Gemessen wurde dies durch Schwankungen der Zeit, während der beide Füsse beim Gehen gleichzeitig Bodenkontakt haben (double support time).

Die Autoren schliessen daraus, dass akustisches Feedback für die Koordination beider Beine während der Fortbewegung wichtig sein könnte (vgl. Szeto et al. 2021).

Aktuell lässt sich festhalten, dass bis jetzt nur Vermutungen und erste Hinweise bestehen, warum Altersschwerhörigkeit und Gangstörungen oft gleichzeitig auftreten. Möglicherweise werden zukünftige Forschungsarbeiten nicht nur eine, sondern mehrere Ursachen finden. Die bisher deutlich gewordene Komplexität der Zusammenhänge spricht durchaus für ein Zusammenspiel mehrerer Ursachen.

Was man tun kann, um Stürze zu vermeiden – Empfehlungen für alte Menschen, Angehörige, Ärzte und Pflegepersonal

Obwohl die Forschung zu den Beziehungen zwischen Altersschwerhörigkeit und Sturzrisiko noch in vollem Gange ist, lassen sich vorliegenden Daten und Erkenntnisse schon praktisch für die Sturzprävention nutzen.

– Schon bei milden Höreinschränkungen sollte man prüfen (lassen), ob auch Gleichgewichtsstörungen vorliegen. Umgekehrt sollten Gleichgewichtsstörungen immer als Hinweis auf mögliche Hörstörungen gewertet werden.

– Verlangsamungen der Ganggeschwindigkeit und/ oder Verkürzung der Schrittlänge können ebenfalls auf Schwerhörigkeit hindeuten.

– Bei jedem Sturzereignis sollte Schwerhörigkeit als mögliche Sturzursache in Erwägung gezogen werden.

Nicht geklärt ist bis jetzt, ob Hörgeräte Gangunsicherheit verringern und Stürze vermeiden können. Der Gedanke liegt nahe, jedoch können vorliegende Untersuchungen dies noch nicht belegen. Zu den Gründen dafür zählen u.a. zu kleine Stichproben und realitätsferne Versuchsanordnungen. Valide Untersuchungen mit alten Hörgerätenutzern erfordern u.a. eine langfristige Versuchsanlage, realitätsnahe Testbedingungen (kein Labor) und eine sorgfältige Rekrutierung der Probanden, was sehr zeit- und kostenaufwendig ist.

Altersschwerhörigkeit und Sturzrisiko: Warten auf die Pharmaforschung oder Tanzen?

Im Hinblick auf die weltweit wachsende Zahl alter Menschen mit entsprechenden Sturzrisiken ist zu hoffen, dass es in Zukunft vielleicht Medikamente geben wird, die den Alterungsprozess des Gleichgewichtsorgans verlangsamen oder kompensieren können (vgl. Azevedo, 2022).

Bis dahin hilft älter werdenden Menschen allein der Hinweis, ihren Gleichgewichtssinn zu trainieren. Empfehlung Nr. 1 ist das Tanzen. Tanzen trainiert in idealer Weise und mit Spaß Gleichgewicht und Koordinationsfähigkeit. Und ganz nebenbei soll es auch noch Demenz verhindern.

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Literaturquellen
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