Expertinnen- und Expertenkommission des Vorstandes der Contergan-stiftung tritt erstmals zusammen
Die neue Expertinnen- und Expertenkommission, die vom Vorstand der Conterganstiftung eingesetzt wurde, tagte jetzt zum ersten Mal in Köln. Als neues Fachgremium entwickelt sie in den kommenden Jahren Handlungsempfehlungen für angemessene Lebensbedingungen von Menschen mit Conterganschädigung. Die heute noch lebenden etwa 2.300 Opfer des größten deutschen Medizinskandals haben inzwischen das Seniorenalter erreicht, wodurch neue Bedarfe entstehen.
Zu Beginn der 1. Sitzung dankte der Vorsitzende des Vorstands der Conterganstiftung, Dieter Hackler, den 12 Mitgliedern der Kommission und den beiden Vorsitzenden für ihre Bereitschaft, ihre Kompetenzen und Erfahrungen zum Wohl der Menschen mit Conterganschädigung einzubringen: „Wir sind Ihnen allen außerordentlich dankbar, dass Sie ohne zu zögern bereit waren, in der Kommission mitzuarbeiten und Handlungsempfehlungen zu formulieren, die der Conterganstiftung und der Politik aufzeigen, wie die zukünftigen konkreten Bedarfe der älter werdenden Menschen mit Conterganschädigung im Blick auf das Wohnen im Alter, die medizinische Versorgung und die psychosoziale Begleitung angemessen erfüllt werden können.“
„Beim Älterwerden kommen automatisch Einschränkungen und damit veränderte Bedarfe. Das gilt für jeden Menschen – aber für Menschen, deren Körper durch Contergan geschädigt wurde, in besonderem Maße“, so die Vorsitzende der Kommission Barbara Steffens, ehemalige Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen. Es brauche daher Antworten, Lösungen und konkrete Angebote. „Menschen mit Conterganschädigung erreichen nun ein Alter, in dem zusätzliche Herausforderungen auf die ohnehin lebensbegleitende Behinderung treffen. Hierdurch sind sie von einer Verschlechterung ihrer Lebenssituation und ihrer Teilhabemöglichkeiten bedroht. Dies wiegt für die Betroffenen, die bisher überaus selbstbestimmt leben, besonders schwer und bedarf gezielter Aufmerksamkeit“, ergänzt der Ko-Vorsitzende des Gremiums, der Medizinhistoriker Dr. Niklas Lenhard-Schramm.
Neben dem Doppelvorsitz gehören der Kommission zwölf weitere Expertinnen und Experten aus den Gebieten Medizin, Recht, Wohnungswirtschaft und Verwaltung an. Unter den Expertinnen und Experten sind zudem vier Menschen mit Conterganschädigung vertreten. „Ohne Betroffene kann es keine Kommission geben“, sagt Barbara Steffens. „Sie sind Expertinnen und Experten in eigener Sache. Wir brauchen ihren Blick, ihre Bedarfe und ihre Wünsche, um dann gemeinsam zu sehen, was realisierbar ist und was wir dazu an Veränderungen benötigen.“
Ältere Menschen mit lebensbegleitender Behinderung sind im höheren Alter doppelt gefährdet, soziale Ausgrenzung, Einsamkeit und Isolation zu erfahren. Bei Menschen mit Conterganschädigung treten den angeborenen orthopädischen und organischen Beeinträchtigungen zunehmend Folge- und Spätschäden hinzu. Der Vorstand der Conterganstiftung erwartet, dass die Arbeitsergebnisse letztlich für alle älteren Menschen mit Einschränkungen Relevanz haben. „Wir erwarten, dass die Handlungsempfehlungen der Kommission in unserer Gesellschaft des langen Lebens auch für alle älteren Menschen grundlegende Impulse und Anregungen für ein gelingendes soziales Miteinander in unserer Gesellschaft geben werden“, so Dieter Hackler.
Die Kommissionsmitglieder kommen aus unterschiedlichen Fachbereichen und verfolgen einen interdisziplinären Ansatz. Diese sind: Dr. med. Alexander Niecke (Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin), Prof. Dr. med. Ralph Naumann (Facharzt für Onkologie und Hämatologie), Prof. Dr. med. Stephan Martin (Facharzt für Orthopädie), Prof. Dr. med. Klaus Peters (Facharzt für Orthopädie), Prof. Dr. Sylvia Thun (Tele-Medizin), Dr. Romy Reimer (Wohnungs- und Sozialwesen), Dr. Almut Satrapa-Schill (Wohnungs- und Sozialwesen), Markus Leßmann (Verwaltung und Recht) sowie die Vertreterinnen und Vertreter aus Betroffenenkreisen Bettina Ehrt, Udo Herterich, Claudia Schmidt-Herterich und Christian Stürmer.
Ein Interview mit den Kommissionsvorsitzenden finden Sie auf www.contergan-infoportal.de
Die Conterganstiftung
Vor 60 Jahren sorgte das Medikament Contergan für den ersten Arzneimittelskandal im Deutschland der Nachkriegszeit. Zwischen 1958 und 1963 gebaren Mütter, die das Mittel eingenommen hatten, Kinder mit orthopädischen und inneren Schäden sowie Hals-Nasen-Ohren-Schäden und Augenschäden. Viele von ihnen starben. Heute leben noch etwa 2.300 bei der Stiftung anerkannte Menschen mit Conterganschädigung allein in Deutschland. Im Dezember 1971 wurde die Stiftung durch Beschluss des Deutschen Bundestags ins Leben gerufen. Das Stiftungskapital wurde bei Stiftungsgründung von dem Pharmaunternehmen Grünenthal und dem Bund zu gleichen Teilen eingebracht. Seitdem die Gelder für Zahlungen an die Betroffenen aufgebraucht sind, bestreitet der Bund die Zahlungen (außer einer jährlichen Sonderzahlung) zu hundert Prozent aus seinen Mitteln.
Kontakt
Conterganstiftung
Matthias Moeller
An den Gelenkbogenhallen 2-6
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