GeWINO-Versorgungsforscher decken auf: Mehr als 90 Prozent der Essgestörten bleiben unbehandelt.
Aktuelle Analysen des Gesundheitswissenschaftlichen Instituts Nordost (GeWINO) der AOK Nordost zeigen einen deutlichen Anstieg der Essstörungsdiagnosen unter den 6- bis 54-jährigen AOK-Versicherten. Dem hohen Anstieg steht leider eine extrem geringe Inanspruchnahme von psychotherapeutischen Behandlungen gegenüber. Die GeWINO-Untersuchung zeigt zudem ein deutliches Stadt-Land-Gefälle. Im Jahr 2010 wurde im Nordosten noch bei rund 3.500 Versicherten eine psychogene Essstörung wie Bulimie (Ess-Brechsucht), Anorexie (Magersucht) oder Binge Eating (Esssucht) diagnostiziert. Im Jahr 2016 waren es bereits mehr als 6.100 Versicherte. Die Anzahl der Diagnosen stieg damit innerhalb von sechs Jahren nordostweit um 74 Prozent. In Berlin ist das Niveau der Diagnosen und die Steigerung der Diagnoserate besonders hoch: 2016 war in Berlin die Diagnoserate mit 1,1 Prozent ungefähr doppelt so hoch wie in Brandenburg (0,6 Prozent) und Mecklenburg-Vorpommern (0,6 Prozent). Außerdem ist die Steigerung in Berlin mit 80 Prozent im Vergleich zu Brandenburg (53 Prozent) und Mecklenburg-Vorpommern (37 Prozent) ausgeprägter.
Essstörungen: Versorgungsforscher gehen von einer hohen Dunkelziffer aus
„Die Dunkelziffer dürfte jedoch um einiges höher liegen, da wir lediglich Personen auswerten können, die vom Arzt eine Diagnose gestellt bekommen haben. Überrascht hat uns der hohe Anteil diagnostizierter Essstörungen bei den 35- bis 54-jährigen AOK Nordost-Versicherten. Hier könnte es sich zum Teil um chronische Fälle handeln, die jetzt auch in höheren Altersgruppen erkannt und diagnostiziert werden“, stellt GeWINO-Versorgungsforscher Dr. Jan Breitkreuz fest. Die Auswertung ergab zudem, dass sich nur rund zehn Prozent der rund 5.000 Versicherten mit einer zwischen 2012 und 2014 neu festgestellten psychogenen Essstörung innerhalb von drei Jahren nach der Diagnose psychotherapeutisch behandeln ließen. „Das Gros der diagnostizierten Essgestörten bleibt leider unbehandelt. Die Analysen haben ferner gezeigt, dass die Bereitschaft, sich in Therapie zu begeben, mit fortschreitender Krankheitsdauer deutlich abnimmt. Deshalb ist eine frühzeitige Intervention bei diesem Krankheitsbild so wichtig. Am besten ist es natürlich, wenn von vornherein verhindert werden kann, dass sich die Essstörung manifestiert“, so Doktor Breitkreuz.
Essstörungen: Früherkennung ist wichtig
Die AOK Nordost hat gemeinsam mit dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte, der Beratungsstelle Dick & Dünn und dem Berliner Startup Jourvie ein digital unterstütztes Programm zur Früherkennung und Frühbehandlung von psychogenen Essstörungen im Kindes- und Jugendalter (sieben bis 17 Jahre) konzipiert. Dazu gehört ein systematisches Screening im Rahmen der regulären Kinder- und Jugenduntersuchungen, eine App für Eltern Betroffener und eine App für Essgestörte selbst. Ausführliche Informationen zur regionalen Entwicklung von Essstörungen im Nordosten können unter www.gewino.de kostenlos heruntergeladen werden.
Über:
GeWINO – Gesundheitswissenschaftliches Institut Nordost
Herr Prof. Dr.-Ing. Thomas P. Zahn
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