Heimische Buchen stellen Lebensraum für vom Klimawandel bedrohte Hefe dar
Mikrobiologe Dr. Andrey M. Yurkov vom Leibniz-Institut DSMZ-Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH hat in den Braunschweiger Stadtteilen Stöckheim und Gartenstadt eine neue Hefe aus Baumsaft isoliert. Im Frühjahr 2016 und 2019 erfolgte die Entnahme von Proben aus Baumsaft von durch den jährlichen Rückschnitt verletzten Bäumen und Sträuchern, wie beispielsweise Birken, Buchen, Hainbuchen und Hartriegel. Es ist bekannt, dass in dem zuckerreichen Saft der Bäume viele Mikroorganismen, damit auch Hefepilze leben können. Aber die Vielfalt der Hefen, die in Baumsaft vorkommen, ist noch unbekannt. Die von Doktor Yurkov neu entdeckte Hefe trägt den Namen Mrakia fibulata sp. nov. (DSM 103931). „Spezies der Mrakia-Gattung bevorzugen eher kalte Lebensräume wie Gletscher, Eis und Permafrost, Mrakia fibulata ist die erste dieser Hefen, die bei einer Temperatur von mehr als 20 Grad Celsius wächst“, stellt der renommierte Pilzspezialist fest.
Klimawandel bedroht auch Mikroorganismen
Die Mehrheit der in Baumsaft vorkommenden Hefen ist primär aus kalten Lebensräumen bekannt. So wurden beispielsweise Hefen der Gattung Mrakia früher aus polaren (Arktis und Antarktis) und nichtpolaren Gletschern (in hohen Gebirgen) isoliert. Diese Habitate sind stark von der globalen anthropogenen Klimaerwärmung bedroht. Der Calderone-Gletscher beispielsweise liegt in den Abruzzen und ist einer der südlichsten Gletscher Europas. Zwei Hefe-Kulturen aus diesem Gletscher wurden ebenfalls als Mrakia fibulata identifiziert. Bedingt durch die Klimaerwärmung schmilzt der Calderone-Gletscher seit einigen Jahren. Wissenschaftler gehen davon aus, dass der Gletscher in den nächsten Jahren völlig verschwinden wird. Das hat zur Folge, dass die dort lebenden psychrophilen (kälteliebend) Mikroorganismen ihren Lebensraum verlieren. „Umso erfreulicher ist es, dass wir genau diese Hefen nun im klimatisch gemäßigten Braunschweig nachweisen konnten“, freut sich Andrey Yurkov. „Es ist vor allem sehr interessant, dass kälteliebende Mikroorganismen wie die neuentdeckte Mrakia fibulata und einige verwandte Arten bis jetzt den Klimawandel in Mitteleuropa überleben konnten. Das macht uns Hoffnung, dass diese trotz des Klimawandels in Zukunft nicht nur in Bioressourcen-Sammlungen wie der DSMZ, sondern auch weiterhin in der Natur vorkommen werden.“
Bedeutung für die Biotechnologie
Mikroorganismen, insbesondere Hefen, die aus Baumsaft isoliert wurden, können von großer biotechnologischer Bedeutung sein. Die Hefe Phaffia rhodozyma beispielsweise produziert ein Carotinoid (Astaxanthin), das dem Fischfutter beigefügt wird, um die Rotfärbung des Lachsfleisches zu intensivieren. Arten der Gattung Mrakia können einfache Zucker fermentieren und werden aktuell in der Produktion von alkoholfreiem Bier bei Kooperationspartnern der DSMZ an der Universität von Perugia in Italien getestet. Außerdem, sind diese Hefen als Produzenten von Enzymen (wie zum Beispiel Lipasen und Proteasen für Gewässerreinigung) bekannt.
Originalpublikation
Yurkov, A.M., Sannino, C. & Turchetti, B. Mrakia fibulata sp. nov., a psychrotolerant yeast from temperate and cold habitats. Antonie van Leeuwenhoek (2019)
doi:10.1007/s10482-019-01359-4
Die DSMZ ist eines der größten Bioressourcenzentren weltweit. Die Sammlung umfasst derzeit über 67.000 Kulturen, einschließlich über 35.000 verschiedene Bakterien- und 4000 Pilz-Stämme, 800 menschliche und tierische Zelllinien, 41 Pflanzenzelllinien, 1.400 Pflanzen-Viren und Antiseren und 13.000 verschiedene Typen genomischer Bakterien-DNA.
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