StartseiteKunst und KulturVom heißen Ziegelstein zur mobilen Grillstation: Ein Enkel des deutschen Auswanderers Brodthuhn revolutionierte vor rund 70 Jahren die Grillkultur

Vom heißen Ziegelstein zur mobilen Grillstation: Ein Enkel des deutschen Auswanderers Brodthuhn revolutionierte vor rund 70 Jahren die Grillkultur: OnPrNews.com

Grafing bei München (ots) –

Dieses Jahr zeigt der Sommer in vielen Landesteilen ein eher gemischtes Gesicht. Was echte Grillfans dennoch nicht abschrecken kann, ihrem Grillvergnügen nachzugehen. Hilfreich bei Regengüssen ist in jedem Fall ein Grill mit Deckel. Mit ihm wird der Feuerrost zur mobilen Kochstation.

Doch wer ist eigentlich der Erfinder des Kugelgrills und was hat ihn zu seiner Entdeckung veranlasst? Das ist eine Geschichte, die über mehrere Generationen und Kontinente reicht. Dank der auf ancestry.de digitalisierten historischen Dokumente lässt sie sich allerdings ziemlich genau rekonstruieren.

Ein Norddeutscher namens Brodthuhn sucht Ende des 19. Jahrhunderts sein Glück in den USA

Heinrich Brodthuhn wurde 1854 in der Nähe von Braunschweig geboren, genauer gesagt im Wallfahrtsort Küblingen – heute ein Ortsteil von Schöppenstedt im Landkreis Wolfenbüttel. Der Name Brodthuhn und diverse andere Varianten des Namens kommen insbesondere im Eichsfeld in Niedersachsen – passend zu Heinrichs Braunschweiger Herkunft – vor. Der Name (https://www.ancestry.de/namensbedeutung) geht vermutlich auf eine Mundartform von ‚Brathuhn‘ (https://www.facebook.com/permalink.php?story_fbid=6063192407040256&id=287202467972641) zurück und bezeichnet Liebhaber gebratener Hühner oder Brathuhn-Köche.

Die Hühnerhaltung war für die meisten Bürger des 19. Jahrhunderts die einzige Möglichkeit, zumindest an Festtagen an Fleisch zu kommen. Heinrich hatte es weniger mit der Hühnerhaltung, sondern erwies sich als geschickter Handwerker, erlernte den Beruf des Dachdeckers und ehelichte im Jahr 1879 die etwa gleichaltrige Karoline, geborene Samte. Dank der bei Ancestry hinterlegten Passagierlisten wissen wir, dass sich Heinrich wenige Jahre später aufmachte, um sein Glück in der ‚Neuen Welt‘ zu suchen, wie bereits Millionen andere vor ihm (https://de.statista.com/statistik/daten/studie/266071/umfrage/immigration-aus-deutschland-in-die-usa/). Die Industrialisierung im Deutschen Reich machte viele Handwerker arbeitslos, während die USA Menschen mit geschickten Händen gerne aufnahmen. Also stieg Heinrich am 26. Mai 1882 in Hamburg an Bord des Dampfschiffs ‚Hansa‘, das ihn über Liverpool nach Hull brachte. Von dort aus ging es weiter in Richtung Westen bis nach Illinois in die Nähe von Chicago, wo er als Anstreicher sein Auskommen fand. Seine Frau Karoline reiste einige Monate später nach.

Dort, im Cook-County am Ufer des Lake Michigan, kam 1884 die gemeinsame Tochter von Heinrich Brodthuhn und Karoline geb. Samte, Caroline M. Brodthuhn, zur Welt [6]. Durch ihre Heirat mit dem zehn Jahre älteren US-Amerikaner George A. Stephen (Senior) am 15. April 1909 ging zwar in der Folge der Name Brodthuhn verloren, nicht aber die Findigkeit und die Vorliebe für Geflügel. Der gemeinsame Sohn George Stephen (Junior) musste als Schweißer beim Unternehmen Weber Brothers Metal Works und späterer Vater von elf Kindern nicht nur viele Münder stopfen, sondern grillte auch leidenschaftlich gern. Doch bis 1952, dem Jahr der Erfindung des Kugelgrills (https://www.weber.com/cms-remote-assets/company/press-release/at/PI_Weber-Erfolgsgeschichte.pdf?mtime=20180926040624), kamen dafür selbst im Mutterland des Barbecues vorwiegend noch heiße Ziegelsteine zum Einsatz.

Den größten Erfolgen geht oft ein Missgeschick voraus

Das Grillen mit heißen Ziegelsteinen erfordert wegen der hohen Temperaturen viel Geschick und ist nicht für jedes Gargut geeignet. So passierte es George Stephen ausgerechnet beim Grillabend im ersten Heim seiner Familie in Mount Prospect nahe Chicago Anfang der 1950-er Jahre, dass das Essen in Flammen aufging, weil die Hitze der Steine einfach nicht zu kontrollieren war.

Nun muss man wissen, dass George Stephens (Junior) Arbeitgeber, die Gebrüder Weber, damals die Bojen für die Hafenanlagen von Chicago produzierten. Eben diese aus zwei Halbkugeln zusammengesetzten Hohlkörper brachten den Schweißer auf die geniale Idee, an eine der Bojen-Hälften Beine zu montieren, für die Luftzufuhr ein paar Löcher einzustanzen und die zweite Hälfte als Deckel zu nutzen. Mit Griff und Rost war der erste Kugelgrill geboren und mit ihm das heute so beliebte ‚indirekte Grillen‘, sei es mit Holzkohle oder Gas.

Diese Idee überzeugte damals auch die Gebrüder Weber: George (Junior) avancierte zum Leiter der überaus erfolgreichen ‚Grillabteilung‘ des Unternehmens und zahlte in den späten 1950-er-Jahren schließlich die alten Eigentümer aus. So wurde aus dem Bojen-Produzenten Weber Brothers Metal Works die Weber-Stephen Products LLC (https://www.weber.com/DE/de/unternehmen/geschichte/weber-48979.html) und ‚Weber‘ weltweit zur Premium-Marke des Grillens. Heutiger Aufsichtsratsvorsitzender des Grill-Imperiums ist übrigens der Sohn von George (Junior), Tim Stephen, und damit ein Urenkel von Heinrich Brodthuhn.

Dieser starb 1923 in Tinley Park. Auch Georges (Junior) Vater, George A. Stephen (Senior), erlebte den genialen Einfall seines Sohnes leider nicht mehr. Doch dessen Frau Caroline, geb. Brodthuhn, die Tochter von Heinrich Brodthuhn, konnte den Erfolg ihres findigen Sohnes noch bis 1962 genießen. Ein Erfolg, der sie sicher mit Stolz erfüllte und immer wieder an ihren Geburtsnamen und die Herkunft ihrer Eltern, die vor so vielen Jahren ausgewandert sind, erinnert hat.

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