Köln (ots) –
Der Interdisziplinäre Wundkongress (IWC) in den Kölner Sartory-Sälen legt einen Schwerpunkt auf das berufsgruppenübergreifende Zusammenwirken aller an der Versorgung von Menschen mit chronischen Wunden Beteiligten. Auf dem 14. IWC am 25. November 2021 erläuterte eine interdisziplinär zusammengesetzte Expertengruppe in einem Symposium der Thrombose Initiative e. V. die Möglichkeiten des Rauchstopps und stellte aktuelle Entwicklungen sowie wissenschaftliche Erkenntnisse zur Rauchentwöhnung vor.
Das Rauchen ist eines der wesentlichen vermeidbaren Risiken für eine Vielzahl von Erkrankungen. Eine effiziente Bekämpfung des Rauchens ist zudem von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung, denn Raucher*innen leben im Schnitt zehn Jahre weniger, während gleichzeitig durch die Folgen des Rauchens dem Gesundheitssystem jährliche Kosten von fast 100 Milliarden Euro entstehen. Unter dem Motto „Grenzen sprengen – Alternativen finden“ erläuterte eine hochkarätige Experten*innengruppe für die Thrombose Initiative e. V. auf dem 14. IWC Perspektiven und Strategien des effizienten Rauchstopps. Die Sitzung wurde moderiert von Prof. Dr. Martin Storck, dem Direktor der Klinik für Gefäß- und Thoraxchirurgie des Städtischen Klinikums Karlsruhe.
Rauchen – der gefäßmedizinische Super-GAU
Rauchen ist ein wichtiger beeinflussbarer Risikofaktor für arteriosklerotische Systemerkrankungen, mit der Folge von Herzinfarkt, Schlaganfall, Amputation und Tod. Arteriosklerose entsteht zwar auch durch den normalen Alterungsprozess, kann aber durch Rauchen beschleunigt oder gar ausgelöst werden. „Primär verantwortlich für die Schädigung des Gefäßsystems sind die Verbrennungsschadstoffe im Zigarettenrauch, nicht das Nikotin“, stellte Prof. Storck in diesem Zusammenhang klar. Es entstehen durch Verbrennung viele Schadstoffe, welche eine dauerhafte Entzündungsreaktion bewirken und das sogenannte Plaquewachstum fördern. In den westlichen Industrienationen sind Gefäßerkrankungen, die oft auf das Rauchen zurückzuführen sind, die häufigste Todesursache. Zudem begünstigt Rauchen viele Krebserkrankungen.
Die beim Rauchen durch die Tabakverbrennung entstehenden Schadstoffe sind im Dampf von E-Zigaretten oder Tabakerhitzern stark reduziert, erläuterte der Gefäßmediziner: „Wenn Raucher*innen nur noch diesen signifikant schadstoffreduzierten aber immer noch nikotinhaltigen Dampf und dafür keinen Tabakrauch mehr konsumieren würden, wäre schon viel erreicht“, so Prof. Storck. Der komplette Rauchstopp ist und bleibt aber das Idealziel in jedem Lebensalter, auch wenn in Rauchstopp-Leitlinien die sogenannte „harm reduction“, also Schadensminderung, inzwischen thematisiert wird. Die aktuelle Diskussion um E-Zigaretten und Tabakerhitzer, als möglicherweise schadensmindernde Alternativen zur Verbrennungszigarette, verdient eine Versachlichung.
Bundesweite Strategien – die behördliche Perspektive
Katrin Baumeister von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) stellte anschließend bundesweite Maßnahmen zur Förderung des Rauchstopps vor. Hierbei nutzt die BZgA eine mehrgliedrige Strategie, die multimedial und mithilfe mehrerer Ansätze vorgeht. Ein niedrigschwelliges Online-Aussteigerprogramm nutzt beispielsweise verhaltenstherapeutische Methoden. Umfragen unter den Teilnehmern haben ergeben, dass es etwa 9 % der Absolventen eines Online-Kurses mit Unterstützung durch ehrenamtliche „Rauchfrei-Lotsen“ gelang, das Rauchen aufzugeben. Zudem bietet die BZgA eine professionelle Begleitung durch Telefonberatung an. Hierbei unterstützen speziell fortgebildete Berater proaktiv den Entwöhnungsprozess, indem sie in regelmäßigen Abständen selbständig Kontakt zum Hilfesuchenden aufnehmen.
In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Netz rauchfreier Krankenhäuser & Gesundheitseinrichtungen (DNRfK) hat die BZgA zudem mit dem „rauchfrei-Ticket“ ein umfassendes Konzept zur Rauchentwöhnung entwickelt, das persönlichen Kontakt zu Medizinern und sogar einen möglichen Krankenhausaufenthalt als „teachable moment“ beinhaltet. Am „rauchfrei-Ticket“ nehmen bereits 28 Kliniken teil, in denen potentielle Teilnehmer durch individuelle Ansprache im Rahmen von medizinischen Untersuchungen oder Eingriffen angesprochen werden.
Nicht gesund – aber weniger schädlich
Jeder 7. Todesfall in Deutschland geht auf das Tabakrauchen zurück, berichtete Prof. Dr. Ute Mons vom Universitätsklinikum der Universität zu Köln. Zudem treten bei Rauchern*innen verstärkt Wundheilungsstörungen auf, und sie haben ein wesentlich höheres Krebsrisiko. Jährlich kommen 85.000 Krebsfälle aufgrund von Rauchen hinzu. Verantwortlich dafür ist ein komplexes Gemisch aus Partikeln und Gasen, das mit dem Zigarettenrauch aufgenommen wird, so die Gesundheitswissenschaftlerin. Ein Großteil dieser bis zu 90 krebserregenden oder vermutlich krebserregenden Substanzen entsteht bei der Verbrennung. Tabakerhitzer, die ohne Verbrennungsvorgang auskommen, stoßen hingegen um 70-90 % weniger Schadstoffe aus. Da diese Produkte noch nicht lange auf dem Markt sind, bietet die Quellenlage allerdings noch keine aussagekräftigen Langzeitstudien. Daher ist bis jetzt unklar, inwieweit sich das Gesundheitsrisiko von Rauchern*innen durch die Verwendung von Tabakerhitzern tatsächlich messbar mindert.
Auch die etabliertere elektronische Variante, die E-Zigarette, nutzt keine Verbrennung, sondern „verdampft“ eine oft aromen- und nikotinhaltige Flüssigkeit („Liquid“). Das dadurch entstehende Aerosol enthält ebenfalls wesentlich weniger Schadstoffe als Zigarettenrauch. Inzwischen nutzt bis zu 2 % der Bevölkerung E-Zigaretten – zumeist ehemalige Raucher*innen. Tabakerhitzer und E-Zigaretten können nach Ansicht von Prof. Mons eine Alternative zum Tabakrauchen darstellen, wenn bessere Maßnahmen, wie die konsequente Rauchentwöhnung, nicht greifen. Dennoch bringt auch der Konsum dieser schadstoffärmeren Alternativen ein Gesundheitsrisiko mit sich, das allerdings weit unter dem der Tabakzigarette liegt, so Prof. Mons.
Schlechte Noten für Deutschland
Prof. Dr. Daniel Kotz, Professor für Allgemeinmedizin mit Schwerpunkt Suchtforschung und klinische Epidemiologie, nahm die internationale Perspektive des Tabakrauchens in den Blick. Die Rahmenkonvention der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Eindämmung des Tabakkonsums definiert Kriterien, anhand derer sich ein Ranking der teilnehmenden Länder ergibt. Hierzu gehören das Vorkommen von Tabakwerbung im öffentlichen Raum oder die Verbreitung von Rauchverboten in Gaststätten. Beides ist in Deutschland nicht konsequent oder flächendeckend verboten, womit eine seit Jahren gleichbleibende Raucherquote von 28-30 % einhergehe, so Prof. Kotz. Bestnoten im Ranking erhält hingegen Großbritannien, wo der Anteil an Rauchern*innen in der Gesamtbevölkerung konsequent rückläufig ist und derzeit 15 % beträgt.
Die Funktion der Sucht und entsprechende Strategien
Die Abhängigkeit vom Rauchen basiert auf einem Belohnungssystem, das bestimmte Situationen mit Nikotinzufuhr in Verbindung bringt. Dabei werden gleichermaßen Konditionierungsprozesse angesprochen. So werden Raucher*innen in Momenten, bei denen sie üblicherweise zur Zigarette greifen würden, bereits nervös. Die ständige Verlockung zur Nikotinzufuhr hängt besonders oft mit alltäglichen, sich wiederholenden Situationen zusammen, wie dem Warten auf den Bus oder geselligem Beisammensein. Nur 5 % aller Raucher*innen schaffen es daher aus eigenem Antrieb und ohne Unterstützung, langfristig mit dem Rauchen aufzuhören. Der entsprechende Entschluss dazu kann allerdings ganz plötzlich erfolgen, denn „Motivation ist etwas ganz Dynamisches“, so Prof. Kotz. Auslöser kann ein entsprechend eindrückliches Erlebnis sein. Erfolgsversprechend ist auch die ärztliche Ansprache nach der ABC-Methode. Diese Strategie basiert auf drei Schritten. Zunächst erfragt („ask“) der Therapeut den Rauchstatus. Darauf bauen anschließend klare Empfehlungen („brief advices“) auf. Ergänzend wird Unterstützung („cessation support“) angeboten.
Solche Kurzberatungen empfiehlt auch die in diesem Jahr aktualisierte Leitlinie „Rauchen und Tabakabhängigkeit“ der Deutschen Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie. Entsprechende Strategien, um mit Rauchern*innen ins Gespräch zu kommen und sie letztlich bei der Raucherentwöhnung zu begleiten, sollten Bestandteil der ärztlichen Ausbildung werden, regte Prof. Kotz an. Außerdem muss darüber nachgedacht werden, ob Leistungen, wie eine evidenzbasierte und effiziente Kurzberatung zum Rauchstopp, durch die Leistungserbringer gegenüber den Krankenkassen abrechenbar sein sollten.
G-BA fördert neue Studie
Bis zu 127.000 Todesfälle sind jährlich in Deutschland auf das Rauchen zurückzuführen. Dabei handelt es sich um einen vermeidbaren Risikofaktor, dem durch eine Ansprache von Rauchern*innen und das Aufzeigen von Möglichkeiten zur Rauchentwöhnung zu begegnen ist. Neben individuell angepassten evidenzbasierten Strategien, professionellen Hilfestellungen und medizinischer Aufklärung kann es hierbei nützlich sein, ergänzend auch Alternativen zum Zigarettenrauchen in den Blick zu nehmen. Raucher*innen, die für den Rauchstopp nicht zu gewinnen sind, könnten von evidenzbasierter Aufklärung zu schadstoffreduzierten Produkten, wie E-Zigaretten und Tabakerhitzern, profitieren.
Eine geplante und vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) geförderte multizentrische Vergleichs-Studie zur strukturierten evidenzbasierten Rauchentwöhnung bei Gefäßpatienten soll viele klinische Informationen liefern, welche über die bereits bekannten Daten hinausgehen, die von der COCHRANE-Database gesammelt wurden.
Pressekontakt:
Prof. Dr. Knut Kröger
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